Eckart Wittmann
Fachanwalt für
Verwaltungsrecht
Kaiser-Wilhelm-Ring 12
50672 Köln
Nachbarvereinbarung
Wenn Widerspruch bzw. verwaltungsgerichtliches Vorgehen gegen eine Baugenehmigung oder gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan erfolgreich waren, kann der Bauherr sich genötigt sehen, sein Vorhaben in nicht unerheblichem Maße umzuplanen.
Alternativ dazu kann es sich anbieten, zu verhandeln und einen Interessenausgleich zwischen den Parteien herbeizuführen. Das Ergebnis kann z.B. so aussehen, daß der widerspruchführende Nachbar auf seine Einwendungen verzichtet und eingelegte Rechtsmittel zurücknimmt, während der Bauherr eine Entschädigung leistet. Deren Höhe kann sich u.a. an der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch die Baumaßnahme und dem daraus folgenden Minderwert des Nachbargrundstücks orientieren. Des weiteren an den Kosten, die der Bauherrr dadurch einspart, dass er nicht umplanen muss.
1. Wann und von wem sind Gespräch mit der anderen Seite einzuleiten? Vor Erteilung einer Baugenehmigung? Danach? Während ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht anhängig ist?
Das hängt ganz wesentlich von einer möglichst präzisen Einschätzung der jeweiligen Rechtsposition und einer korrekten Prognose der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab.
So sieht sich etwa der Bauherr in einer besonders mißlichen Verhandlungssituation, wenn er das tatsächlich bestehende Risiko einer Stillegung seines Vorhabens nicht gesehen hat und verhandeln muß, nachdem das Vorhaben vom Verwaltungsgericht stillgelegt wurde und er sich unter Zeitdruck befindet.
Umgekehrt kann es aus Sicht des betroffenen Nachbarn sinnvoll sein, frühzeitig das Gespräch mit dem Bauherrn zu suchen, etwa dann, wenn seine Rechtsposition eher fraglich ist.
Es kann aber - auf beiden Seiten - auch ganz andere Gründe für frühzeitige Gespräch geben, so etwa das Interesse des Bauherrn an möglichst großer Planungssicherheit und das Interesse des betroffenen Nachbarn daran, nicht längere Zeit mit ungewisser Erfolgsaussicht prozessieren zu müssen.
Welche Überlegungen im Einzelfall schließlich ausschlaggebend sind, kann nur auf der Grundlage einer sorgfältigen Beurteilung der Rechtslage und der persönlichen Risikobereitschaft der Beteiligten ermittelt werden.
2. Der in der Vereinbarung festzulegende Interessenausgleich muß nicht immer so aussehen, daß der Nachbarn für den Verzicht auf seine Einwendungen eine Entschädigungsleistung erhält. Es sind auch andere Varianten denkbar:
Denkbar sind z. B. zusätzliche (bauliche) Maßnahmen, mittels derer Beeinträchtigungen reduziert werden.
Die Gegenleistung des Bauherrn kann auch darin bestehen, daß er seinerseits rechtlich problematischen baulichen Maßnahmen auf dem Grundstück des Nachbarn zustimmt. Hier ist beim Abfassen der Vereinbarung besondere Sorgfalt geboten, weil es sich häufig um noch nicht aktuelle Bauabsichten handeln wird und weil auch die Baugenehmigungsbehörde einzubinden ist.
Es kommt auch vor, dass der Bauher das Grundstück des klagenden Nachbarn kauft
Solche Vereinbarungen sind mit besonderer Sorgfalt zu erstellen bzw. auszuhandeln. Von den Punkten, die ich, wenn ich einen Bauherrn bzw. einen betroffenen Nachbarn vertrete, dabei berücksichtige, seien im folgenden - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - einige aufgezählt.
3. Von besonderer Bedeutung ist, daß das Bauvorhaben, hinsichtlich dessen der Nachbar auf ihm dagegen zustehende Rechte verzichtet, präzis beschrieben wird. Es muß Klarheit darüber bestehen, was der Nachbar durch den Vertrag maximal akzeptiert.
Besondere Sorgfalt ist z.B. dann geboten, wenn eine Vereinbarung abgeschlossen wird, bevor die Baugenehmigung vorliegt oder - erst recht - dann, wenn es noch keinen endgültigen Bauantrag gibt und der Nachbar vorab einzelne Punkte (z.B. maximale Höhe, Standort etc.) akzeptiert.
Hier - wie auch bei allen anderen zu beachtenden Punkten - steht im Vordergrund, daß die Vereinbarung eindeutige Regelungen enthält und nicht zum Auslöser neuer Streitigkeiten wird.
4. Es besteht die Möglichkeit, daß der Nachbar irgendwann einmal sein Grundstück verkauft. Bei Vertragsschluß ist also zu bedenken, ob und inwieweit die eine Baugenehmigung betreffende Vereinbarung auch spätere Eigentümer bindet.
Hier gibt es wesentliche Besonderheiten gegenüber anderen grundstücksbezogenen Vereinbarungen
5. Wenn eine Vereinbarung abgeschlossen wird, aufgrund derer der Nachbar eine Entschädigung für den durch die Realisierung des Bauvorhabens bewirkten Minderwert seines Grundstücks erhält, muß der Vertrag die beiderseitigen Verpflichtungen hinreichend absichern.
Es darf z.B. nicht passieren, ist, daß nach - unwiderruflicher - Rücknahme der Rechtsmittel des Nachbarn gegenüber Baubehörde bzw. Verwaltungsgericht der Bauherr die vereinbarte Zahlung nicht leistet bzw. die anstatt einer Entschädigung vereinbarten baulichen (Schutz-) Maßnahmen nicht trifft und verklagt werden muß.
Derlei kann - und muß - durch sorgfältige Vertragsgestaltung sicher vermieden werden.
6. Wenn der Bauherr infolge der Vereinbarung eine Entschädigung leistet, sind damit einhergehende (einkommen-)steuerrechtliche Fragen zu berücksichtigen. Hier muß auf Seiten des betroffenen Nachbarn bereits vor Unterzeichnung der Nachbarvereinbarung weitestmögliche Klarheit bestehen.